Bereits am 11. März 2024 verurteilte ein Geschworenengericht in Innsbruck den Neonazi Manuel E. zu einer neunjährigen Haftstrafe wegen mehrerer Verbrechen nach dem Verbotsgesetz, sowie fahrlässigem Waffenbesitz. Nachdem der Oberste Gerichtshof seine Nichtigkeitsbeschwerde zurückwies, bestätigte am 7. August 2024 das Oberlandesgericht Innsbruck sowohl die Strafhöhe als auch die besondere Gefährlichkeit des Osttirolers.
Der aus Lienz stammende, mittlerweile 39-Jährige, ist seit der Jahrtausendwende in der extremen Rechten aktiv. Einen erste Teilnahme an einem Neonazi-Aufmarsch in Deutschland wurde im Sommer 2004 fotografisch dokumentiert. Damals bildete er gemeinsam mit etlichen Mitgliedern des österreichischen Ablegers des „Blood & Honour“-Netzwerks einen Block auf dem „Rudolf Hess-Gedenkmarsch“ im bayrischen Wunsiedel. Zum damaligen Zeitpunkt war er bereits polizeilich einschlägig bekannt, u.a. wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz, schwerer Körperverletzung und gefährlicher Drohung.
Europaweite Bekanntheit erlangte er aber vor allem durch seine federführende Mitwirkung in zahlreichen Neonazi-Musikprojekten. Mitte der 2000er Jahre gründete er die NS-Black Metal-Band „Feuernacht“ mit, kurze Zeit später folgte die NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“, mit der er zuletzt im April 2019 in Griechenland auftrat. Zudem half er bei der russischen NS-Hardcore-Band „You Must Murder“, sowie bei der deutsch-amerikanischen Neonazi-Band „Daily Broken Dream“ aus und rief 2018 die NS-Straight Edge-Hardcore-Band „Thrive On A Cross“ ins Leben. Aktuell ist er zudem als Rapper unter dem Namen „Kombaat“ aktiv und wirkt in der NS-Hardcore-Band „Alpenfestung“ mit. Vor Gericht kam im Wesentlichen nur seine Betätigung bei „Terrorsphära“ und „Feuernacht“ zur Sprache.
Manuel E. prägte aber auch die europäischen Neonazi-Kampfsportszene um den „Kampf der Nibelungen“ (KDN). Vor allem mit der Gründung der extrem rechten Sportgruppe-und Plattform „Wardon 21“ (W21) um 2017, die sich im inneren Kreis des KDN bewegt und als ideologischer Wegbereiter des Formats gilt. Dass der E. über Ländergrenzen hinweg als Impulsgeber und Multiplikator der extrem rechten Kampfsport-und Musikszene gilt, dürfte spätestens seit 2017 bekannt sein, als EXIF-Recherche detaillierte Hintergrundinformationen zu seinen Bands veröffentlichte.
U-Haft und Anklage
Im Hinblick auf die bekannten Aktivitäten des Osttirolers in ganz Europa, wirkt der Grund seiner Verhaftung banal. Denn eine erste Sicherstellung von Schriften und Devotionalien, die mutmaßlich gegen das Verbotsgesetz verstoßen, fand im Zuge einer „freiwilligen Nachschau“ beim Lebensgefährten seiner Schwester im Juni 2023 statt. In dessen Haus nutzte E. ein Büro, in dem er neben NS-Literatur auch Propaganda-Material, etwa von „Der III. Weg“ verwahrte. Der Defacto-Schwager hatte die Polizei informiert, da dieses Material teils sichtbar im Regal lagerte. Damit war zumindest der Anfangsverdacht für eine NS-Wiederbetätigung gegeben und eine mögliche Gefährdung Dritter.
Im August 2023 folgte dann die Hausdurchsuchung in Manuel E.’s Wohnung, die Untersuchungshaft dann Ende Oktober. Sichergestellt wurden in der Wohnung Einiges, das mit dem historischen NS in Verbindung gebracht werden kann: diverse Runen-Darstellungen, Abzeichen, Kleidungsstücke und Literatur. Ins Gewicht fielen allerdings nicht die einzelnen sichergestellten Stücke, sondern die Gesamtschau auf sein Lebens-und Erlebniswelt. Diese ergab sich aus dem öffentlich Bekannten, aber auch aus den Sprachnachrichten und Fotos, die auf seinem Handy gefunden worden.
In 12 von 17 Verbrechen gegen das Verbotsgesetz stimmte die Mehrheit der Geschworenen für eine Verurteilung. Auch der fahrlässige Besitz einer Waffe – einen Teleskop-Schlagstock – wurde verurteilt. (Fast) einig waren sich die Geschworen etwa bei der Schuldfrage um Sprachnachrichten mit NS-Bezug, die er versandt hatte.
Heranführung der Kinder
Nachgewiesen werden konnte ihm nicht, dass er Hetzschriften wie „Kinder, was wisst ihr vom Führer“ oder „Mutter, erzähl von Adolf Hitler“ an seine Kinder weiter gereicht hat. Auch gab es keinen Beleg, dass er mit seiner Stieftochter an einem Jugendlager der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ in Brandenburg teilnahm, wie eine sichergestellte Einladung suggeriert. Eine Heranführung an den NS, auch durch scheinbar harmlose Outdoor-Aktivitäten, erkannte das Gericht dennoch. So hatte er seine Stieftochter im Sommer 2023 zum „Gipfelsturm“ mitgenommen, eine jährlich seit 2019 in den Alpen von „Wardon 21“ ausgerichtete Bergtour, an der bislang jeweils bis zu 20 Neonazis aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien teilnahmen. Die intern beworbene Bergtour reiht sich in eine Vielzahl von Sportevents ein, die der Kit der europäischen Neonazi-Szene ist.
Kontaktschuld?
Angeführt wurde auch, dass er bestens mit einschlägig bekannten und weit vernetzten Neonazis in Kontakt steht. Allen voran wurde auf Hendrik M. eingegangen – verurteilter Mörder, langjähriger Produzent extrem rechter Musik und aktuell Sänger der NS-Black Metal Band „Absurd“ – , den Manuel E. 2023 für einen Vortrag in Wien zum Thema „NSBM“ (National Socialist Black Metal) gewinnen wollte. Den Vortrag den M. in Wien halten sollte, wollte E. bei den Kameraden im 2. Bezirk durchführen. Im „Itzig“-Viertel, wie er den von jüdischen Leben geprägten Stadtteil in einer Sprachnachricht betitelt. Dort bestünde seit 30 Jahren eine Lokalität, wo regelmäßig Veranstaltungen ohne polizeiliche Aufmerksamkeit stattfänden. Gemeint sein könnte das Vereinslokal der „Wiener Akademische Ferialverbindung Reich“. Diese 2011 selbst aufgelöste Pseudo-Burschenschaft war Sammelbecken diverser Neonazis aus dem Wirkungskreis von „alpen-donau.info“ um den bekannten extrem rechten Multi-Funktionär Gottfried Küssel. Zu diesem hatte Eder noch im Oktober 2023 mehrfach Kontakt. Also nachdem ihm bewusst war, dass gegen ihn im Sinne des Verbotsgesetzes ermittelt wird.
Sein unbeirrtes Weitermachen kann als Konsequenz der jahrelangen Nichtverfolgung seiner Aktivitäten in der extrem rechten Kampfsport- und Musikszene gewertet werden.
Immer nur am Rande, nie im Mittelpunkt oder an der Organisation beteiligt, so stellt sich E. vor Gericht dar. Auch beim „1. Gerd Honsik Kongress“ in Wien Anfang Oktober 2023, einem Vernetzungstreffen der europäischen extremen Rechten, habe er lediglich die Übersetzung einer Rede vorgetragen. Die knapp 60 Flyer für den Kongress, die im Zuge der Hausdurchsuchung festgestellt worden, habe man ihm bei einer Bestellung dazu gelegt.
Das Urteil
Neun Jahre Haft ist am Ende das Urteil. Keiner der Umstände ist strafmildernd, er ist einschlägig vorbestraft und der Tatzeitraum ist lang. Eine Bewährung kam nicht in Betracht. Das Urteil ist damit geringer als im Falle von Philipp H., bekannt als Rapper „Mr. Bond“, der wegen NS-Wiederbetätigung 2022 mit zehn Jahren Haft belegt wurde. „Dreckspack“ raunt es aus dem Zuschauer*innen-Raum, als das Gericht E. verurteilt. Europaweit wird seitdem zur Solidarität mit Manuel E. aufgerufen.
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aktualisierte und gekürzte Version eines Artikels aus dem Antifaschistischen Infoblatt
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