Angeklagte | „Filmpiratinnen und Filmpiraten e.V.“ – alternatives Videokollektiv aus Erfurt |
Kläger | Freiheitliche Partei Österreich und der Freiheitliche Parlamentsklub |
Verteidigung | RAin Dr.in Maria Windhager |
Richter | Dr. Heinz-Peter Schinzel |
Im Juni 2014 veröffentlichen die Filmpirat*innen zwei Videobeiträge im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Josef. Der Student nahm an der Anti-Akademikerballdemonstration am 24. Januar 2014 teil und wurde noch am selben Abend festgenommen. Nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft kam es zur Anklage gegen ihn, die Vorwürfe lauteten: Landfriedensbruch, schwere Körperverletzung und schwere Sachbeschädigung. Das erste Video mit dem Titel „Prozessauftakt in Wien – gegen Josef“ dokumentiert den ersten Prozesstag in Wien. Das zweite Video mit dem Titel „Jenaer Preis für Zivilcourage geht nach Wien in den Knast an Josef“ zeigt die Preisverleihung durch den Jenaer Oberbürgermeister Schröter an Josef’s Schwester.
Beide Videos, wie auch andere Videos, sind auf der Filmpirat*innen-Homepage veröffentlicht und stehen unter einer nicht-kommerziellen Creative-Commons-Lizenz. Diese Lizenz räumt Nutzer*innen spezielle Rechte ein, wenn sie spezielle Bedingungen erfüllen. Im Fall der Videos wird die „Namensnennung, nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen“-Lizenz (CC by-nc-sa) benutzt.
FPÖ-TV ist ein Youtube-Kanal der vom Freiheitlichen Parlamentsklub und der FPÖ betrieben wird. Der Freiheitliche Parlamentsklub ist die Fraktion der FPÖ im österreichischen Parlament. Regelmäßig werden auf dem Kanal längere „Magazin-Sendungen“ aus der rechts-populistischen Weltsicht der FPÖ veröffentlicht. So auch am 26. Juni 2014 unter dem Titel „Wie gut läuft die Integration“ . Ab Minute 4:59 berichtet FPÖ-TV über den Josef-Prozess in Wien und benutzt umfangreich und ungefragt die Videomaterialien der Filmpirat*innen. Im Abspann des Beitrages ist ein Copyright-Hinweis ohne auf die Creative-Commons-Lizenz hinzuweisen oder die eigentlichen Urheber*innen zu benennen.
Die Filmpirat*innen sind Dank der Hinweise einiger User*innen auf FPÖ-TV hingewiesen worden und beauftragten daraufhin im September 2014 Anwältin Kristin Pietzryk mit einem außergerichtlichen Schreiben, welches eine Unterlassungserklärung und Abmahnung mit der Aufforderung das Videomaterial der Filmpirat*innen nicht zu verwenden oder weiter in ihrem Youtube-Kanal bereit zu stellen, beinhaltete.
Die FPÖ und der Freiheitliche Parlamentsklub antworteten mit einer Klage gegen den Verein. Sie werfen den Filmpirat*innen vor, falsche Behauptungen zu stellen und damit die Meinungsfreiheit der FPÖ zu behindern. In der Anklage wird sich auf die freie Meinungsäußerung in Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention berufen. Der Streitwert beträgt 35.000€. Zusätzlich werden den Filmpirat*innen 2698,13€ in Rechnung gestellt.
Der Verein beauftragte daraufhin eine Medienanwältin aus Wien mit dem Fall. Im November 2014 antwortete sie mit einer Klagebeantwortung an das Handelsgericht Wien, in der die eigentliche Urheber*innenrechtsverletzung dargelegt wurde. Der erste Verhandlungstag findet am 26.02.2015 im Handelsgericht Wien statt, es soll an diesem Tag rein um Formalien gehen, weitere Verhandlungstermine sind bisher nicht bekannt.
Im August 2016 entschied das Handelsgericht Wien in erster Instanz gegeb die FPÖ, die bereits gegen das Urteil Berufung ankündigte. „Bei der Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material ist in aller Regel davon auszugehen, dass dies nicht unbeschränkt und frei von jeglichen Restriktionen geschehen darf“, schreibt das Gericht zur Begründung. Damit wurde die Klage der Freiheiltichen Partei Österreich und des Freiheitlichen Parlamentsklub abgewiesen.
Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz)
Creative-Commons-Lizenz in ihrer portierten Version 3.0 (alltagssprachliche Zusammenfassung)
Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich (CC BY-NC-SA 3.0 AT)
Sie dürfen:
Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten
Bearbeiten — das Material remixen, verändern und darauf aufbauenDer Lizenzgeber kann diese Freiheiten nicht widerrufen solange Sie sich an die Lizenzbedingungen halten.
Unter folgenden Bedingungen:
- Namensnennung — Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. […]
- Nicht kommerziell — Sie dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen.
- Weitergabe unter gleichen Bedingungen — Wenn Sie das Material remixen, verändern oder anderweitig direkt darauf aufbauen, dürfen Sie Ihre Beiträge nur unter derselben Lizenz wie das Original verbreiten.
§ 10 (EMRK) Freiheit der Meinungsäußerung (Auszug)
(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
(2) […]
Handelsgericht Wien
Marxergasse 1A
1030 Wien
Bevorstehende Termine:
1. Prozesstag – 26.02.2015 – Saal 2305 ab 09:30
Kampagnen-Hashtag #SeiunsereHeldin
Twitter: @filmpirateninfo
Facebook: Filmpirates
Bitte Anmeldung um Inhalte einzureichen!