Prozess nach Waffenfund im Bezirk Baden

Durch Pressemeldungen wurde am 9. November 2021 bekannt, dass im Bezirk Baden im Rahmen einer Hausdurchsuchung NS-Devotionalien und ein beachtliches Waffen-Arsenal gefunden wurden. „Der 53-Jährige soll Teil einer rechtsextremen Gruppe sein“; es sei „genug Sprengstoff für [einen] verheerenden Anschlag“ gefunden worden, hieß es nach diesen. Doch das immense Waffenarsenal war lediglich ein Zufallsfund. Der spätere Angeklagte Othmar M. geriet zunächst ins Visier der Ermittlungsbehörden da er einschlägige WhatsApp-Nachrichten mit einem gewissen Georg B. austauschte. Dieser steht etwa in Verbindung mit dem nicht rechtskräftig wegen Waffenhandel verurteilten Neonazi Peter Binder. Für diesen Nachrichtenaustausch wurde Georg B. bereits am 5.5.2022 nach dem Verbotsgesetz verurteilt.

Im Einfamilienhaus und der Gartenlaube des Ehepaars wurden NS-Devotionalien gefunden, darunter etwa ein Bild mit Hakenkreuz und Aufschrift „Ehret die Arbeit und achtet den Arbeiter“ (Anm.: Propaganda der „Deutschen Arbeitsfront“, ein NS-Verband für Arbeiter), ein Stahlhelm mit Hakenkreuz sowie eine Büste des NS-Feldherrs Erwin Rommel. Der Prozess gegen das Ehepaar Othmar und Margot M. fand schließlich am 29.11.2022 im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wiener Neustadt statt. Beide mussten sich wegen der Aufbewahrung und Zurschaustellung von NS-Devotionalien vor Gericht verantworten, zusätzlich zu den Verstößen gegen das Waffengesetz. Othmar M. war darüber hinaus wegen mehrerer einschlägiger Chatnachrichten angeklagt.

Prozessverlauf

Die Strategie der Verteidigung basierte offenkundig darauf, dass der Erstangeklagte Othmar M. die gesamte Verantwortung auf sich nahm, um seine Ehefrau Margot M. zu entlasten: Er sei halt „der Mann im Haus“ und sie „wollte die Waffen eh nicht im Haus haben“, aber „er hat halt nicht auf sie gehört“. Sie würden ein sehr traditionelles Familienleben leben, in dem der Mann eben bestimmt, was passiert, er sei ja ein „Jäger und Sammler“, und deshalb hatte sie darüber keine Handhabe. Den Zuschauer*innen im Gerichtssaal bot sich hingegen eine selbstsichere und kühle Margot M., die behauptete, selbst über die Vielzahl der Waffen in ihrem Haus überrascht gewesen zu sein. Weiters will sie auch nicht gewusst haben, woher die Waffen kamen, da sie nie etwas damit zu tun haben wollte.

Als einziger Zeuge war ein Beamter vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Niederösterreich geladen, der vor allem von der Hausdurchsuchung berichtete. Aufgrund der großen Anzahl an vorgefundenen Waffen, wurden weitere waffenkundige Beamt*innen herangezogen. Die anwesenden Polizist*innen hätten sich überrascht wegen der vielen Waffen gezeigt, diese seien teilweise geladen und ungesichert im Haus verteilt gewesen. Manche Waffen lagen an Orten, an denen jeder Zugriff auf sie hätte haben können, auch die ebenfalls dort lebende Tochter.

Wie zu erwarten, kam es zum Schuldspruch beider Angeklagten für den Großteil der Vorwürfe sowohl wegen der Verstöße gegen das Verbots- als auch das Waffengesetz. Der mittlerweile 54-jährige wurde zu 24 Monaten, seine Ehefrau zu 18 Monaten auf drei Jahre auf Bewährung verurteilt. Zusätzlich wurden die Devotionalien, Waffen und Munition eingezogen. Mittlerweile ist das Urteil rechtskräftig, es wurden keine Rechtsmittel dagegen erhoben.

Leerstellen und offene Fragen

Allgemein herrschte im Gerichtssaal offenkundig kein Interesse über die konkreten Vorwürfe hinaus, für Aufklärung zu sorgen. Die politische Einstellung der Angeklagten war von so geringem Interesse, dass die Aufkleber der bis 2004 international aktiven Neonazi-Organisation „NSDAP-AO“ , die bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden, im Gerichtssaal nicht einmal erwähnt wurden. Nur wenige Sekunden lang wurde ein Foto davon auf die Leinwand hinter den Richter*innen projiziert, als eigentlich andere Gegenstände im Rahmen des Prozesses gezeigt hätten werden sollten. Auch der Umgang mit einzelnen NS-Devotionalien war irritierend, es folgten keinerlei Ausführungen zu deren Ursprung bzw. deren Bedeutung im Nationalsozialismus.

Mit ähnlichem Unwillen wurde auch die politische Schlagseite des Verfahrens behandelt. Die Kontakte zu Georg B., der amtsbekannt mit Neonazi Peter Binder vernetzt war, wurden nur als Randnotiz abgehandelt. Um Informationen zur politischen Einstellung von Othmar M. zu gewinnen, hätte eine kurze Recherche gereicht. Der Erstangeklagte wurde im Dezember 2016 in einem Facebook-Posting der FPÖ Pottendorf als Vorstandsmitglied präsentiert. Fotos zeigen ihn im Jahr 2019 bei Veranstaltungen der FPÖ Pottendorf. Vor diesem Hintergrund ist nicht erklärlich, warum jener „FPÖ-Peter“, mit welchem der Angeklagte ebenfalls einschlägige Nachrichten austauschte, nicht ausgeforscht wurde.

Besonders auffällig war aber der Unwille mehr über die gefundenen Waffen in Erfahrung zu bringen. Es schien sich niemand dafür zu interessieren, wo und wann diese erworben wurden oder ob sie funktionsfähig waren. Sogar die gefundenen sieben Rohrbomben wurden nur kurz abgehandelt. Auf einzelnen wurden sogar Anhaftungen (Anm.: vermutlich von Sprengstoff) gefunden.

„Stoppt die Rechten“ hat seit Juli 2019 insgesamt 36 Waffenfunde im extrem Rechten Umfeld dokumentiert. Auch im Fall Rudolf P., der gerade wegen möglicher Anschlagspläne für Aufsehen sorgt, wurden Rohrbomben gefunden.

„Österreich Rechts Außen“ berichtete im März 2022 vom gegen ihn geführten Prozess. Auch in diesem Fall bleiben viele Fragen offen. Für Unverständnis sorgt vor allem das Nicht-Informiert werden der auf Feindeslisten geführten Betroffenen. Wieder erscheint das Festhalten an der Einzeltäter-These wichtiger, als das Ausleuchten der  offensichtlichen Vernetzung in unterschiedliche extrem rechte Kreise, von der „Nationalen Volkspartei“ (NVP) bis hin zu den „Identitären“.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass der „Schlag gegen die rechtsextreme Szene“ von dem im November 2021 nach der Hausdurchsuchung zu lesen war, im Gerichtssaal nicht zu beobachten war. Die Verbindungen zu anderen einschlägig Verurteilten wurden heruntergespielt bzw. den Schutzbehauptungen der Angeklagten nichts entgegengesetzt und damit erneut ein brisanter Fall verharmlost. In einem Prozessbericht liest es sich spektakulärer, als es im Schwurgerichtssaal wirklich war: „[d]ie Polizeiermittlungen gingen dahin, dass er das 15. Mitglied der „Miliz der Anständigen“ – einer Neonazi-Organisation – sein sollte.“ Von der Mitgliedschaft in solch einer Verbindung war keinerlei Rede im Hauptverfahren, was nicht verwundert, da bereits im Mai 2022 im selben Saal ein Mitarbeiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im Prozess wegen Wiederbetätigung gegen Peter Binder berichtete, dass sich diese Verdachtsmomente nicht erhärtet hätten.

So zeigt sich zum wiederholten Male, was hinter vermeintlich erfolgreichen Ermittlungen gegen die extreme Rechte steckt: Nach Presseaussendungen des Innenministeriums und unzähligen Medienberichten zu Hausdurchsuchungen bleiben Gerichtsverfahren die völlig entpolitisiert und losgelöst vom Kontext routiniert abgearbeitet werden und zum Schluss unter geringer medialen Aufmerksamkeit in Vergessenheit geraten. Angesichts der immer wieder ausgehobenen Waffenarsenale und der realen Gefahr von Gewalt durch die extreme Rechte, braucht es weiter Aufklärung über deren Vernetzung – auch außerhalb Österreichs – und effektive Schutzmaßnahmen für Betroffene.