Zuständiges Gericht | Landesgericht für Strafsachen Wien |
Gerichtsform | Schöff*innenverfahren |
Verhandlungstag | 07.03.2022 |
Richter | Harald Craigher |
Staatsanwältin | Susanne Kerbl-Cortella |
Angeklagter | einschlägig vorbestrafter, 53- jähriger Österreicher, der zum Tatzeitpunkt Freigänger war, da er 2018 nach Verbots- und Waffengesetz verurteilt wurde |
Verteidiger | Rudolf Mayer |
Vorwürfe | Suchtgifthandel, unerlaubter Umgang mit Suchtgiften, Vergehen nach dem Waffengesetz |
Zeugin | Bekannte des Angeklagten, die mehrfach Drogen bei ihm gekauft haben soll |
Beweismaterial | sichergestellte Drogen, (Kriegs)Waffen, Munition, Sprengstoff, Berichte von Vertrauenspersonen & Observationen |
Im Dezember 2020 beschlagnahmte die Polizei in Guntramsdorf das größte illegale Waffenarsenal seit Jahrzehnten in Österreich. Beim Neonazi Peter Binder fand man unter anderem über 70 automatische und halb automatische Schusswaffen, Handgranaten, NS-Devotionalien sowie Munition in sechsstelliger Menge. Schnell war klar wer hinter dem Waffenfund steckte, eine Spurensuche begann.
https://twitter.com/MartinaRenner/status/1338521809415761923
Neben Binder wurden vier weitere Personen in Österreich und zwei Personen in Deutschland festgenommen. Durch Durchsuchungen bei den in Deutschland Verhafteten kam es zu zusätzlichen Drogenfunden.
Nach einem weiteren Waffenfund im Juli 2021 warnte der damalige Innenminister noch vor dem extrem rechten Netzwerk und sprach sogar von einer „Miliz der Anständigen“ die mit den Waffen unterstützt werden sollte.
Peter Binder war bereits früh im neonazistischen Milieu in Österreich vernetzt. Seit seiner Jugend folgte er dem bekannten Neonazi Gottfried Küssel und wurde auch im Rahmen der Ermittlungen zum rechtsextremen Briefbombenterror als möglicher Beteiligter angeklagt, am Ende allerdings freigesprochen.
Der Angeklagte ist auch in Deutschland kein Unbekannter, so nahm er zum Beispiel am 20. September 2002 an einer Feier der „Vandalen“ in Berlin teil, gemeinsam mit 200 Neonazis, inklusive dem NSU-Umfeld und Personen aus früheren Blood & Honour-Strukturen. Er pflegte zudem Kontakt zum Neonazi Bendix Wendt, der dem Österreicher Zugang zu 10kg Sprengstoff verschaffte und 1993 mit ihm zusammen nach alten Waffen aus dem II. Weltkrieg suchte um diesen Sprengstoff zu entnehmen.
Binder ist auch für die Justiz kein Unbekannter, er weist 13 einschlägige Vorstrafe auf, zuletzt wurde er 2018 in Wiener Neustadt wegen Wiederbetätigung und Vergehen nach dem Waffengesetz verurteilt. Zum Tatzeitpunkt war er Freigänger in der Justizanstalt Simmering, seit seiner Festnahme am 09. Dezember 2020 befindet er sich, im Gegensatz zu den mittlerweile wieder freigelassenen anderen Beschuldigten, in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft Wien wirft Binder vor, am 02.09.2020 in einem Hotel in Passau 1,5kg Speed übernommen und von Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt zu haben. Auf gleiche Weise soll er am 12.11.2020 7kg Speed übernommen und ebenfalls nach Österreich eingeführt haben. Zudem soll er am 20. und 24.10.2020 Speed im Wert von insgesamt 4.800 Euro an eine Vertrauensperson verkauft haben.
Beim Versuch des erneuten Verkaufs von Speed, sowie diverser Waffen im Wert von 110.000 an eine Vertrauensperson, erfolgte die Festnahme am 09.12.2020. Bis zu diesem Zeitpunkt soll er außerdem wiederholt unbestimmte Mengen Speed und Ecstasy an eine abgesondert verfolgte Bekannte verkauft, sowie zum persönlichen Gebrauch Cannabiskraut erworben und besessen haben.
Beim Drogenkauf in Deutschland sollen zwei weitere Männer als Kurier bzw. Auftraggeber beteiltigt gewesen sein, diese wurden in Deutschland verhaftet. In Österreich haben den Angeklagten laut Staatsanwaltschaft zwei weitere Männer beim Verkauf von Kriegsmaterial bzw. Waffen unterstützt. Konkret zum Beispiel durch das Verladen der Waffen in den als Transportmittel genutzten VW-Bus.
Im konkreten Fall, also dem vorgeworfenem Drogen- und Waffenhandel waren mehrere Deutsche beteiligt, zwischenzeitlich auch zwei von ihnen in Untersuchungshaft. Ob gegen diese Beschuldigten noch Ermittlungen laufen, ist unklar. Ein kürzlich in München begonnener Prozess gegen drei Mitglieder eines illegalen, waffenhandelnden Netzwerkes aus AFD- und Pegida-Aktivist*innen, „Reichsbürgern“ und anderen extrem Rechten, lässt jedoch Verbindungen zu Peter Binder vermuten. Hier braucht es weitere Aufklärung.
Auch ist unklar ob alle Waffenarsenale des Angeklagten gefunden wurden, seit wann er diese besaß und ob es Verbindungen zu weiteren Funden in den letzten Jahren gab. Denn eins ist klar, was bisher bekannt ist, ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Rechercheportal „Stoppt die Rechten“ dokumentiert seit 2019 akribisch alle Waffenfunde und recherchiert zu deren Hintergründen.
Entscheidend ist auch die Frage wie er an die Waffen gelangt ist, vor allem in Hinblick auf verschwundene bzw. gestohlene Waffen beim Bundesheer oder den Berichten über einen Polizisten der Munition an Rechtsextreme verkauft haben soll.
Die Waffenfunde und das vermutete Neonazi-Netzwerk sorgte nicht nur in Österreich für einen Aufschrei, denn dass sich die extreme Rechte für einen möglichen „Tag X“ bewaffnet muss als ernstzunehmende Gefahr begriffen werden.
Auch in Deutschland gibt es Bestrebungen das mögliche Netzwerk auszuforschen, zum Beispiel von Martina Renner die eine Anfrage im Bundestag einbrachte. Leider in diesem Fall mit wenig Erfolg, von der „Miliz der Anständigen“ will plötzlich niemand mehr etwas wissen. Doch dass Binder nicht allein gehandelt hat, steht fest. Wie groß sein Unterstützer*innenkreis war und vielleicht sogar noch ist und welche Gefahr von ihm aber auch insgesamt von extrem rechten Netzwerken ausgeht, darf nicht länger ignoriert werden.
Nach seiner Festnahme folgten Hausdurchsuchungen in drei Objekten an zumindest zwei verschiedenen Zeitpunkten, wobei am 10.12.2020 in einem von Binder angemieteten Container, sowie in seiner Wohnung eine größere Anzahl von Schusswaffen und Munition und am 22.12.2020 im Kellerabteil seiner verstorbenen Mutter ebenfalls eine größere Zahl von Waffen, Munition und Kriegsmaterial gefunden wurde.
Die Vermutung einer entpolitisierten Verhandlung auf Grundlage der Anklageschrift, über die bereits vorab berichtet wurde, bestätigte sich am 07. März 2022. Das lag unter anderem daran, dass das Verfahren wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetzes ausgeschieden und nach Wiener Neustadt abgetreten wurden. Die Ermittlungen, vermutlich die Auswertung der sichergestellten Datenträger, waren zum Zeitpunkt der Anklageerhebung in Wien noch nicht abgeschlossen. Gleichzeitig irritierte der Umstand, dass von einem Netzwerk beziehungsweise weiteren Mittäter*innen keinerlei Rede war, schließlich war der Angeklagte bestens vernetzt und laut seinem Verteidiger auch im Ermittlungsverfahren geständig was Mittäter betraf. Doch letztendlich stand der Angeklagte allein vor Gericht.
Peter Binder sagte nicht viel, überließ die meisten Ausführungen seinem langjährigen Anwalt, behauptete seine Taten zu bereuen und machte abgesehen von Angaben zum erhaltenen Geld für einzelne Waffenverkäufe keinerlei Aussage. Interessant war die Schilderung seines Anwalts, wonach ein Mithäftling, als registrierte Vertrauensperson, seinen Mandanten bestärkt haben soll. Dieser Behauptung wurde jedoch nicht nachgegangen. Auf die Einvernahme der geladenen Zeugin wurde verzichtet, weswegen bereits eine halbe Stunde nach Prozessbeginn das Urteil verkündet wurde: 7,5 Jahre unbedingt wegen Suchtgifthandel, unerlaubtem Umgangs mit Suchtgiften, sowie mehrerer Vergehen nach dem Waffengesetz. Der Angeklagte nahm das Urteil sofort an, die Staatsanwältin bat um Bedenkzeit, weshalb die Entscheidung nicht rechtskräftig war.
Stoppt die Rechten: Prozess Peter B.: Brauchst keine Sorgen haben!
Der Standard: Drogen- und Waffenprozess gegen angeblich geläuterten Altrechten
Kurier: Prozess: Der angebliche Gesinnungswandel des „Waffennarren” Peter B. (Paywall)
Am 23. Mai 2022 wurde Peter Binder in Wiener Neustadt wegen Wiederbetätigung zu 3,5 Jahren Haft verurteilt.
Am 28. März 2023 lehnte das Oberlandesgericht Wien die Strafberufung ab, das Urteil von 7,5 Jahren Haft ist seitdem rechtskräftig.
§ 28a SMG Suchtgifthandel
(1) Wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft, ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(…)
(4) Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren ist zu bestrafen, wer die Straftat nach Abs. 1
(…)
3. in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge begeht.
(5) Mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe ist zu bestrafen, wer eine Straftat nach Abs. 1 begeht und in einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher Straftaten führend tätig ist.
https://www.jusline.at/gesetz/smg/paragraf/28a
§ 27 SMG Unerlaubter Umgang mit Suchtgiften (Auszug)
(1) Wer vorschriftswidrig
1. Suchtgift erwirbt, besitzt, erzeugt, befördert, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft,
(…)
ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer jedoch die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
https://www.jusline.at/gesetz/smg/paragraf/27
§ 50 Abs. 1 WaffG Gerichtlich strafbare Handlungen
(1) Wer, wenn auch nur fahrlässig,
1. unbefugt Schusswaffen der Kategorie B besitzt oder führt,
2. verbotene Waffen oder Munition (§ 17) mit Ausnahme der verbotenen Waffen gemäß § 17 Abs. 1 Z 9 und 10 unbefugt besitzt,
3. Waffen oder Munition besitzt, obwohl ihm dies gemäß § 12 verboten ist,
4. Kriegsmaterial (ausgenommen Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß) unbefugt erwirbt, besitzt oder führt,
5. Schusswaffen der Kategorie B, verbotene Waffen oder Kriegsmaterial (ausgenommen Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß) einem Menschen überläßt, der zu deren Besitz nicht befugt ist,
6. Schusswaffen oder Munition erwirbt, besitzt oder führt, obwohl ihm dies nach § 11a verboten ist,
ist vom ordentlichen Gericht in den Fällen der Z 2, 3 und 6 mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen und in den Fällen der Z 1, 4 und 5 mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
(1a) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer vorsätzlich eine oder mehrere der in Abs. 1 mit Strafe bedrohten Handlungen in Bezug auf eine größere Zahl von Schusswaffen oder Kriegsmaterial begeht. Ebenso ist zu bestrafen, wer die nach Abs. 1 Z 5 mit Strafe bedrohte Handlung in der Absicht begeht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
https://www.jusline.at/gesetz/waffg/paragraf/50