prozess.report: Wieso sind sie heute als internationaler Beobachter im „Schlepperei“-Gerichtsverfahren vor Ort?

Michael Platzer: Ich engagiere mich für die Rechte von Migrant*innen in Prozessen wie diesem. Ich komme regelmäßig zu den Prozessterminen nach Wiener Neustadt, wo ich zwei Angeklagte unterstütze. Meine Unterstützung geht zurück auf den früheren Kontakt zu einem jungen hier angeklagten Mann, dem vorgeworfen wird, in Mafiastrukturen verwickelt zu sein. Diesen Eindruck hatte ich jedenfalls nie. Mit meiner Hilfe ist er, der anfangs nicht einmal eine Verteidigung hatte, unter anderem nach acht Monaten Untersuchungshaft enthaftet worden und hat einen Wohnplatz gefunden.

prozess.report: Was tun sie als internationaler Prozessbeobachter?

Platzer: Von meiner Prozessbeobachtung schicke ich regelmäßige Berichte direkt an das Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf, im Speziellen an den „Special Rapporteur on the human rights of migrants“,  François Crépeau. Auch mit UNHCR Österreich bin ich in wöchentlichem Kontakt.

prozess.report: Was ist ihr bisheriger Eindruck vom Gerichtsverfahren?

Platzer: Ich denke, dass dieser Prozess in anderen Ländern anders verlaufen wäre als in Österreich. Er zieht sich sehr lange hinaus und basiert ausschließlich auf Telefongesprächen, die fehlerhaft und suggestiv übersetzt wurden. Andere Beweise gibt es kaum, Verbindungen der Angeklagten zu einer Mafiaorganisation definitiv nicht.

prozess.report: Was erwarten sie vom weiteren Verlauf?

Platzer: Ich hoffe, dass alle Angeklagten freigesprochen werden und Kostenrückerstattungen für die Untersuchungshaft bekommen. Ich denke, dass Österreich unbedingt den „Schlepperei“-Paragraphen ändern sollte. Ich hoffe außerdem, dass die Medienberichterstattung zu diesem Prozess auch internationale Öffentlichkeit – bis nach Brüssel und New York – erreicht und dafür setze ich mich auch ein. Ich finde, dass dieses Verfahren zu einem Schauprozess geworden ist. (Interview von Katarzyna Winiecka und Maria Zimmermann)

Foto: Katarzyna Winiecka

Foto: Katarzyna Winiecka

Michael Platzer ist pensionierter UN-Beamter. Er ist Vorstand in der Allianz für Kriminalitätsprävention und Strafgerichtsbarkeit Wien und Funktionär des ACUNS (Akademischer Rat für das System der Vereinten Nationen, fördert die Wissenschaft, Erforschung und Analyse der UNO, multilateraler Diplomatie und internationaler Kooperation).