Auch da fünfte Jahr unseres Bestehens war wieder sehr intensiv. Um euch einen kleinen Einblick in unsere Arbeit zu geben, haben wir diese kleine Übersicht erstellt. Im vergangenen Jahr standen u.a. die Polizei, Versammlungsrechte, Fußballfans und die Kriminalisierung von Protesten im Fokus unserer Arbeit und eines dürfen wir jetzt schon verraten: am Häufigsten waren wir 2019 im Wiener Verwaltungsgericht.

Oury Jalloh Gedenkdemonstration

Jedes Jahr demonstrieren in Dessau hunderte Menschen am Todestag von Oury Jalloh, der am 7.1.2005 in einer Polizeizelle verbrannte. Seitdem kämpft eine Initiative für Aufklärung (auch vor Gericht) und gegen den institutionellen Rassismus in Deutschland. Infos zur Mobilisierung und gemeinsamen Anreise aus verschiedenen Städten für 2020 findet ihr hier.

Die Aktivist*innen der Initiative sind immer wieder mit Repression konfrontiert, wie zuletzt im Prozess wegen des Vorwurfs eines Feuerzeugwurfes während der jährlich stattfindenden Gedenkdemonstration in Dessau. Im gesamten Verfahren, sowie im Abschlussplädoyer des Angeklagten, wurde deutlich wieso es hier um mehr ging als einen bloßen Feuerzeugwurf Richtung Polizei.

Anatolische Föderation Österreich

Am 12.03.2019 kam es zu Verurteilungen gegen drei Vorstandspersonen des türkisch-linken Kulturvereins „Anatolische Föderation Österreich“. Vorgeworfen wurde ihnen die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, in unserer Übersichtsseite gibt es mehr Informationen zum Prozess. Im Dezember 2019 wurde das schriftliche Urteil zugestellt, mehrere Angeklagte hatten angekündigt in Berufung zu gehen. Da dies die erste Verurteilung Linker wegen eines „Terrorismusvorwurfes“ in Österreich darstellt, gilt es weiter hier weiter wachsam zu bleiben.

Wie wir befürchteten, folgten bereits einen Monat nach der Verurteilung gegen die „Anatolische Föderation Österreich“ drei Prozesse wegen vermeintlicher PKK-Unterstützung in Salzburg und Ried im Innkreis. Auch wenn diese Verfahren mit Freisprüchen endeten, die Auswirkungen dieser verschärften Kriminalisierung von Linken Migrant*innen in Österreich muss kritisch beobachtet und öffentlicher diskutiert werden.

Denn eins hat sich in allen vier Verfahren für uns gezeigt, die Ermittlungsbehörden und Gerichte in Österreich wissen wenig über türkische und kurdische Verhältnisse und übernehmen Terrorvorwürfe aus Deutschland und der Türkei unreflektiert um politisch aktive Menschen einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Nicht zuletzt durch die in Österreich geführten Ermittlungen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen den Journalisten Max Zirngast wurde Kritik am Vorgehen der zuständigen Staatsanwaltschaft in Graz laut, doch diese Kritik muss weiter gehen – denn diese Entwicklung kennen wir aus vielen europäischen Ländern und nur gemeinsam können wir dem entgegen treten.

Landesgericht in Ried im Innkreis, 30.04.2019

PAZ Hernals 6

Am 15. und 22.3. standen sechs Geflüchtete vor Gericht nachdem im September letzen Jahres ihre Zelle im Polizeianhaltezentrum Hernals in Brand gesetzt wurde. Der zweite Verhandlungstag endete mit Verurteilungen wegen schwerer Sachbeschädigung, fahrlässiger Körperverletzung sowie fahrlässiger Gemeingefährdung und für drei Beschuldigte mit der Überstellung zurück in Schubhaft. In unserer Übersicht und dem Bericht zum ersten Verhandlungstag erfahrt ihr mehr über die Hintergründe. Die Solidaritätsgruppe, mit der wir den Prozess begleitet haben, veröffentlichte ein Jahr nach dem Brand einen Artikel der schildert wie es nach dem Verfahren weitergegangen ist.

Diskussion zur Kriminalisierung von Protest

Im Mai diskutierten wir mit Fluchthilfe&Du und zwei Anwält*innen über die Kriminalisierung von (Refugee)Protesten und wie es gelingen kann gemeinsam solidarische Netzwerke zu schaffen. Dabei ging es neben den von uns beteiligten Prozessen um die Fälle der Moria 35/ Lesvos, Ahmed H./ Röszke und Stansted 15/ London.

Rapidkessel

28 Rapidfans, die am 16.12.2018 einer Identitätsfeststellung unterzogen und weggewiesen wurden und deshalb über mehrere Stunden mit über 1300 weiteren Fans angehalten wurden, haben gegen den Polizeieinsatz Beschwerden eingebracht. Am 12.06.2019 kam es zur Entscheidung am Wiener Verwaltungsgericht. Mehr Infos und eine Zusammenfassung zum „Verhandlungsmarathon“ gibt es in unserer Übersicht.

Polizeigewalt bei Klimaprotest

Beim Aktionstag für Klimagerechtigkeit am 31.05.2019 kam es zu mehreren Fällen von Polizeigewalt. Bisher stand ein (selbst von Polizeigewalt betroffener) Aktivist wegen des Vorwurfes des versuchten Widerstandes vor Gericht und wurde (nicht rechtskräftig) freigesprochen.

Außerdem wählten insgesamt 3 Betroffene das Mittel der Maßnahmenbeschwerde um dagegen rechtlich vorzugehen. Am 23.10. erklärte die zuständige Richterin im Verwaltungsgericht die Durchsuchung des Rucksacks, sowie die DNA-Abnahme gegen eine Person für rechtswidrig, kurz darauf begann das umfangreiche Beschwerdeverfahren des Journalisten Anselm Schindler. Am 12.12.2019 wurde seine Festnahme und somit auch alle weiteren Maßnahmen der Polizei gegen ihn ebenfalls für rechtswidrig erklärt. Ein ausführlicher Bericht von uns findet sich hier. Aktuell ist das Urteil des dritten Beschwerdeführers ausständig, es wird für die kommenden Tage erwartet. Ob es (straf)rechtliche Konsequenzen gegen beteiligte Organe der Polizei geben wird, bleibt abzuwarten, aktuell soll gegen mindestens sieben Polizeibeamten*innen ermittelt werden.

Transparent gegenüber vom Landesgericht Wien, 07.10.2019

NSU-Tribunal

Anfang November nahmen wir am NSU-Tribunal in Chemnitz und Zwickau teil und hatten die Möglichkeit viele beeindruckende Geschichten zu hören und uns in einem Workshop zur Rolle der Nebenklage im NSU-Prozess weiterzubilden. Veranstaltungen wie diese stellen die Erfahrungen der Betroffenen in den Mittelpunkt und schaffen es damit Kontinuitäten von rechtem Terror und Rassismus aufzuzeigen und eine gemeinsame, solidarische Praxis zu ermöglichen. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal und werden die gewonnen Erfahrungen in unsere Arbeit einfließen lassen.

Podiumsdiskussion „Polizeikontrolle“

Der Dezember begann für uns mit einer Veranstaltung des juridikum- Magazin, auf dessen Einladung wir mit weiteren Expert*innen über die Rolle der Polizei diskutierten und kritische Punkte beleuchteten. Schnell war sich das Podium einig, dass es mehr Transparenz und unabhängige Möglichkeiten geben muss sich gegen Fälle von Polizeigewalt zu wehren. Es braucht aber viel mehr, zum Beispiel: Solidarität mit Betroffenen von rassistischen Polizeischikanen, die weit weniger Aufmerksamkeit und Unterstützung bekommen, eine kritischere Auseinandersetzung mit der Polizei im Gericht aber auch als politischer Akteur, der immer mehr durch soziale Medien und professionelle Pressearbeit die Deutungshoheit über brisante Polizeieinsätze und Fälle von Polizeigewalt zu gewinnen versucht. Die Kritik an der Intuition Polizei muss weitergehen und auch wir werden dazu beitragen.

Foto der Podiumsteilnehmenden, aufgenommen von Angelika Adensamer

Wie weiter 2020?

Dieser Rückblick kann nur einen Teil unserer bisherigen Arbeit aufzeigen, doch eines können wir versprechen: wir werden uns weiter für eine kritische Prozessberichterstattung und mehr Solidarität mit Betroffenen einsetzen und geben unsere Erfahrungen auch gerne an euch weiter.