Urteilsverkündung

Am fünften Verhandlungstag kam es wie geplant zur Urteilsverkündung gegen die Angeklagten der „Anatolischen Föderation Österreich“. Drei der vier Beschuldigten wurden für schuldig befunden und nach §287b Absatz 2 wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung verurteilt.

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Der Zeitplan im fünftägigen Prozess gegen den Vereinsvorstand der „Anatolischen Föderation Österreich“ war sehr eng gefasst. An den ersten beiden Tagen wurden die Beschuldigten ausführlich befragt, an den darauffolgenden zwei Terminen insgesamt 15 Zeug_innen geladen und befragt und für den letzen Tag sollte nur mehr über zwei Beweisanträge der Verteidigung entschieden werden um zügig mit den Abschlussplädoyers beginnen zu können.

Aktuell berät der Schöff_innensenat über zwei von der Verteidigung gestellte Beweisanträge bezüglich der türkischen Protestband „Grup Yorum“ und der Wochenzeitung „Yürüyüş“. Auch heute sind wieder viele solidarische Menschen im Gericht anwesend.— prozess.report (@prozessreport) 12. März 2019

Aber diesem Plan machte Verteidiger Michael Dohr einen Strich durch die Rechnung, jedes Mal nach dem die Abweisung von Beweisanträgen durch die Vorsitzende verkündet wurde, stellte er weitere Anträge. Unter anderem wollte er zwei Chefredakteur_innen und einen Autor der türkischen Wochenzeitung „Yürüyüş“, sowie einen „informierten“ Vertreter des deutschen Innenministeriums befragen. Auch dies wurde vom Schöff_innensenat abgelehnt.

Die Ladung des nicht im Gericht anwesenden Sechstangeklagten sorgte für etwas Unruhe im Gerichtssaal. Unklar war, ob der Beschuldigte jemals eine Ladung für den eigenen Strafprozess erhalten habe, ob es einen Haftbefehl gegen ihn gibt oder gab und warum er nicht mit den anderen Beschuldigten auf der Anklagebank sitzt. Nach einem kurzen Telefonat mit dem BVT in der Pause wurde klar, dass die Ladung nicht zugestellt werden konnte.

Nachdem alle Beweisanträge abgehandelt wurden, folgten die Abschlussplädoyers der Staatsanwältin und Verteidigung. Die Angeklagten nutzten die Möglichkeit noch ein letztes Mal Stellung zu beziehen & die politische Dimension dieses Prozesses zu verdeutlichen.

Schuldig der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung

Urteil: Drei der vier Angeklagten wurden nach Paragraph 278b Abs. 2 – also der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung für schuldig befunden & zu bedingten Haftstrafen von 16 bzw. 20 Monaten verurteilt.

Die mündliche Urteilsverkündung der Vorsitzenden deckte sich teilweise wortgenau mit den Ausführungen der zugrundegelegt Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien, demnach wurden drei der vier Angeklagten für schuldig befunden.

„Sie haben sich als organschaftliche Vertreter des registrierter Vereins Anatolische Föderation Österreich in Wien als Mitglieder an einer terroristischen Vereinigung, nämlich der im Anhang der EU Verordnung 2580 aus 2001vom 27.12.2001 als terroristische Gruppe gelistete DHKP-C beteiligt, indem sie in dem Wissen dadurch die Vereinigung DHKP-C in dem Ziel die Staatsordnung in der Türkei zu zerschlagen und terroristische Attentate vorwiegend in der Türkei zu verüben und deren strafbare Handlungen insbesondere terroristische Straftaten nach §287c Absatz 1 STGb zu erreichen dieses Ziels zu fördern, nachfolgend beschriebene und für die Öffentlichkeit wahrnehmbare Propagandahandlungen setzten und zwar (…)

Erst, Zweit- und Fünftangeklagte(r) am 1.5.2015 durch die Organisation und Teilnahme an einer Kundgebung mit ca. 150 teils bekannten und abgesondert verfolgten und teils unbekannt gebliebenen Aktivisten und Sympathisanten der DHKP-C, wobei sie unter dem Dachverein der Anatolischen Föderation Österreich in Erscheinung traten indem sie als eigener Block in militanter Art und Weise im typischen Einheitskleidungsstil der DHKP-C zahlreiche Transparente mit Abbildungen mit getöteten türkischen Attentätern insbesondere Safak YAYLA, Bahtiyar DOGRUYOL und Elif Sultan KALSEN von einer Vielzahl von Passanten zur Schau stellten.“

Richterin während der Urteilsverkündung, 12.03.2019

Außerdem wurden die drei Beschuldigten verurteilt weil sie „jedenfalls seit dem 1.5.2015 bis zumindest 13.10.2015 indem sie die türkische Wochenzeitschrift Yürürüs, die einschlägige terroristische DHKP-C Inhalte aufweist unter ihren Vereinsmitgliedern und DHKP-C Sympathisanten vertrieben“ haben sollen. 

Die Zweiangeklagte wurde ebenfalls wegen den zwei Veranstaltungen am 12.04.2015 und 10.5.2015 verurteilt, sie habe dabei „für eine Vielzahl von Vereinsmitgliedern und DHKP-C Sympathisanten Veranstaltungen zur Ehrung der vorher genannter Attentäter [abgehalten]“ 

Der Fünftangeklagte wurde von allen Vorwürfen freigesprochen, bezüglich der Veröffentlichungen von „einschlägigen terroristischen DHKP-C nahen Inhalte“ auf zwei Webseiten gab es keinerlei Anhaltspunkte, dafür erfolgte für alle ein Freispruch.

In der Urteilsbegründung hielt sich die vorsitzende Richterin an die Argumentation der Staatsanwältin und verwies mehrmals auf ihr Abschlussplädoyer.

„Die Meinungsfreiheit endet dort wo strafrechtlich relevante Handlungen gesetzt werden. Sie werden hier nicht verurteilt weil sie gegen das Ergogan-Regime sind. Aber die Antwort auf Gewalt kann nicht wieder Gewalt sein. Bewaffnete Selbstjustiz ist nicht zu billigen, egal wem sie dient, das ist hier wichtig. Die Frau Staatsanwalt hat es verglichen, diese Bestimmung gibt es natürlich auch für Leute die nach Syrien gehen und für den IS dort kämpfen, es ist die gleiche Bestimmung aber natürlich faktisch ist das etwas anderes was sie hier gemacht haben, vom Gesetzesvorwurf nicht aber faktisch natürlich etwas anderes und dem haben wir auch Rechnung getragen mit einem relativ mildem Urteil bei einer Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren.“ 

Richterin während der Urteilsverkündung, 12.03.2019

Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig, die Angeklagten kündigten gleich nach der Verkündung an in Berufung zu gehen. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.

Berichterstattung