Im Juni haben wir unser 10-jähriges Bestehen gefeiert. Ein Jubiläum wie dieses ist ein Grund zum Feiern. Für uns war es auch ein Anlass, um unsere Arbeit, Ziele und Wirksamkeit kritisch zu hinterfragen: Machen wir noch das wofür wir Prozess.report ins Leben gerufen haben? Haben sich unsere Ziele geändert? Wie sollen die nächsten 10 Jahre aussehen? Was kann und soll kritische Prozessbeobachtung leisten?
All diese Überlegungen haben uns zu einem Entschluss geführt: Wir wollen Prozess.report neu aufstellen und ausrichten. Wir wollen das transparent, ergebnisoffen und MIT EUCH machen! Deshalb laden wir euch ein Teil unseres Kollektivs zu werden. Kommt zu unserer offenen Klausur am 26.10. nach Wien. Alle Infos findet ihr hier.
Bereits am 11. März 2024 verurteilte ein Geschworenengericht in Innsbruck den Neonazi Manuel E. zu einer neunjährigen Haftstrafe wegen mehrerer Verbrechen nach dem Verbotsgesetz, sowie fahrlässigem Waffenbesitz. Nachdem der Oberste Gerichtshof seine Nichtigkeitsbeschwerde zurückwies, bestätigte am 7. August 2024 das Oberlandesgericht Innsbruck sowohl die Strafhöhe als auch die besondere Gefährlichkeit des Osttirolers. Mehr zu dem Fall Manuel E. lest ihr in unserem ausführlichen Beitrag.
Bereits am 11. März 2024 verurteilte ein Geschworenengericht in Innsbruck den Neonazi Manuel E. zu einer neunjährigen Haftstrafe wegen mehrerer Verbrechen nach dem Verbotsgesetz, sowie fahrlässigem Waffenbesitz. Nachdem der Oberste Gerichtshof seine Nichtigkeitsbeschwerde zurückwies, bestätigte am 7. August 2024 das Oberlandesgericht Innsbruck sowohl die Strafhöhe als auch die besondere Gefährlichkeit des Osttirolers.
Der aus Lienz stammende, mittlerweile 39-Jährige, ist seit der Jahrtausendwende in der extremen Rechten aktiv. Einen erste Teilnahme an einem Neonazi-Aufmarsch in Deutschland wurde im Sommer 2004 fotografisch dokumentiert. Damals bildete er gemeinsam mit etlichen Mitgliedern des österreichischen Ablegers des „Blood & Honour“-Netzwerks einen Block auf dem „Rudolf Hess-Gedenkmarsch“ im bayrischen Wunsiedel. Zum damaligen Zeitpunkt war er bereits polizeilich einschlägig bekannt, u.a. wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz, schwerer Körperverletzung und gefährlicher Drohung.
Europaweite Bekanntheit erlangte er aber vor allem durch seine federführende Mitwirkung in zahlreichen Neonazi-Musikprojekten. Mitte der 2000er Jahre gründete er die NS-Black Metal-Band „Feuernacht“ mit, kurze Zeit später folgte die NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“, mit der er zuletzt im April 2019 in Griechenland auftrat. Zudem half er bei der russischen NS-Hardcore-Band „You Must Murder“, sowie bei der deutsch-amerikanischen Neonazi-Band „Daily Broken Dream“ aus und rief 2018 die NS-Straight Edge-Hardcore-Band „Thrive On A Cross“ ins Leben. Aktuell ist er zudem als Rapper unter dem Namen „Kombaat“ aktiv und wirkt in der NS-Hardcore-Band „Alpenfestung“ mit. Vor Gericht kam im Wesentlichen nur seine Betätigung bei „Terrorsphära“ und „Feuernacht“ zur Sprache.
Manuel E. prägte aber auch die europäischen Neonazi-Kampfsportszene um den „Kampf der Nibelungen“ (KDN). Vor allem mit der Gründung der extrem rechten Sportgruppe-und Plattform „Wardon 21“ (W21) um 2017, die sich im inneren Kreis des KDN bewegt und als ideologischer Wegbereiter des Formats gilt. Dass der E. über Ländergrenzen hinweg als Impulsgeber und Multiplikator der extrem rechten Kampfsport-und Musikszene gilt, dürfte spätestens seit 2017 bekannt sein, als EXIF-Recherche detaillierte Hintergrundinformationen zu seinen Bands veröffentlichte.
U-Haft und Anklage
Im Hinblick auf die bekannten Aktivitäten des Osttirolers in ganz Europa, wirkt der Grund seiner Verhaftung banal. Denn eine erste Sicherstellung von Schriften und Devotionalien, die mutmaßlich gegen das Verbotsgesetz verstoßen, fand im Zuge einer „freiwilligen Nachschau“ beim Lebensgefährten seiner Schwester im Juni 2023 statt. In dessen Haus nutzte E. ein Büro, in dem er neben NS-Literatur auch Propaganda-Material, etwa von „Der III. Weg“ verwahrte. Der Defacto-Schwager hatte die Polizei informiert, da dieses Material teils sichtbar im Regal lagerte. Damit war zumindest der Anfangsverdacht für eine NS-Wiederbetätigung gegeben und eine mögliche Gefährdung Dritter.
Im August 2023 folgte dann die Hausdurchsuchung in Manuel E.’s Wohnung, die Untersuchungshaft dann Ende Oktober. Sichergestellt wurden in der Wohnung Einiges, das mit dem historischen NS in Verbindung gebracht werden kann: diverse Runen-Darstellungen, Abzeichen, Kleidungsstücke und Literatur. Ins Gewicht fielen allerdings nicht die einzelnen sichergestellten Stücke, sondern die Gesamtschau auf sein Lebens-und Erlebniswelt. Diese ergab sich aus dem öffentlich Bekannten, aber auch aus den Sprachnachrichten und Fotos, die auf seinem Handy gefunden worden.
In 12 von 17 Verbrechen gegen das Verbotsgesetz stimmte die Mehrheit der Geschworenen für eine Verurteilung. Auch der fahrlässige Besitz einer Waffe – einen Teleskop-Schlagstock – wurde verurteilt. (Fast) einig waren sich die Geschworen etwa bei der Schuldfrage um Sprachnachrichten mit NS-Bezug, die er versandt hatte.
Heranführung der Kinder
Nachgewiesen werden konnte ihm nicht, dass er Hetzschriften wie „Kinder, was wisst ihr vom Führer“ oder „Mutter, erzähl von Adolf Hitler“ an seine Kinder weiter gereicht hat. Auch gab es keinen Beleg, dass er mit seiner Stieftochter an einem Jugendlager der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ in Brandenburg teilnahm, wie eine sichergestellte Einladung suggeriert. Eine Heranführung an den NS, auch durch scheinbar harmlose Outdoor-Aktivitäten, erkannte das Gericht dennoch. So hatte er seine Stieftochter im Sommer 2023 zum „Gipfelsturm“ mitgenommen, eine jährlich seit 2019 in den Alpen von „Wardon 21“ ausgerichtete Bergtour, an der bislang jeweils bis zu 20 Neonazis aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien teilnahmen. Die intern beworbene Bergtour reiht sich in eine Vielzahl von Sportevents ein, die der Kit der europäischen Neonazi-Szene ist.
Kontaktschuld?
Angeführt wurde auch, dass er bestens mit einschlägig bekannten und weit vernetzten Neonazis in Kontakt steht. Allen voran wurde auf Hendrik M. eingegangen – verurteilter Mörder, langjähriger Produzent extrem rechter Musik und aktuell Sänger der NS-Black Metal Band „Absurd“ – , den Manuel E. 2023 für einen Vortrag in Wien zum Thema „NSBM“ (National Socialist Black Metal) gewinnen wollte. Den Vortrag den M. in Wien halten sollte, wollte E. bei den Kameraden im 2. Bezirk durchführen. Im „Itzig“-Viertel, wie er den von jüdischen Leben geprägten Stadtteil in einer Sprachnachricht betitelt. Dort bestünde seit 30 Jahren eine Lokalität, wo regelmäßig Veranstaltungen ohne polizeiliche Aufmerksamkeit stattfänden. Gemeint sein könnte das Vereinslokal der „Wiener Akademische Ferialverbindung Reich“. Diese 2011 selbst aufgelöste Pseudo-Burschenschaft war Sammelbecken diverser Neonazis aus dem Wirkungskreis von „alpen-donau.info“ um den bekannten extrem rechten Multi-Funktionär Gottfried Küssel. Zu diesem hatte Eder noch im Oktober 2023 mehrfach Kontakt. Also nachdem ihm bewusst war, dass gegen ihn im Sinne des Verbotsgesetzes ermittelt wird.
Sein unbeirrtes Weitermachen kann als Konsequenz der jahrelangen Nichtverfolgung seiner Aktivitäten in der extrem rechten Kampfsport- und Musikszene gewertet werden.
Immer nur am Rande, nie im Mittelpunkt oder an der Organisation beteiligt, so stellt sich E. vor Gericht dar. Auch beim „1. Gerd Honsik Kongress“ in Wien Anfang Oktober 2023, einem Vernetzungstreffen der europäischen extremen Rechten, habe er lediglich die Übersetzung einer Rede vorgetragen. Die knapp 60 Flyer für den Kongress, die im Zuge der Hausdurchsuchung festgestellt worden, habe man ihm bei einer Bestellung dazu gelegt.
Das Urteil
Neun Jahre Haft ist am Ende das Urteil. Keiner der Umstände ist strafmildernd, er ist einschlägig vorbestraft und der Tatzeitraum ist lang. Eine Bewährung kam nicht in Betracht. Das Urteil ist damit geringer als im Falle von Philipp H., bekannt als Rapper „Mr. Bond“, der wegen NS-Wiederbetätigung 2022 mit zehn Jahren Haft belegt wurde. „Dreckspack“ raunt es aus dem Zuschauer*innen-Raum, als das Gericht E. verurteilt. Europaweit wird seitdem zur Solidarität mit Manuel E. aufgerufen.
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aktualisierte und gekürzte Version eines Artikels aus dem Antifaschistischen Infoblatt
weitere Berichte:
In der Nacht vom 10. auf den 11. September 2010 detonierte vor dem Eingang der Caritas-Unterkunft in Graz ein Sprengsatz. Nun, über 13 Jahre später, standen drei Männer vor Gericht und wurden diesbezüglich freigesprochen. Von der erhofften Aufklärung des rassistischen Anschlags ist man nach dem dreitägigen Prozess weiter entfernt als zuvor. Lest unseren Bericht.
Am 23. April eröffnete die Initiative Minderheiten ihre Ausstellung über die rechtsterroristische Anschlagsserie vor 30 Jahren im Volkskundemuseum Wien. Warum ihr sie unbedingt besuchen sollte, lest ihr in unserem Bericht.
Am 23. April 2024 eröffnete die Initiative Minderheiten ihre Ausstellung im Volkskundemuseum Wien. Unter dem Titel „Man will uns ans Leben“ – Bomben gegen Minderheiten 1993-1996 dokumentiert die Ausstellung die unvergleichbare rechte Terrorserie vor 30 Jahren.
In ganz Österreich, aber auch in Deutschland, erhielten insgesamt 25 Personen und Organisationen Briefbomben. Zur gleichen Zeit detonierten in einer zweisprachigen Schule in Kärnten und im burgenländischen Oberwart Spreng- bzw. Rohrbomben.
Die Anschläge hatten vier Tote, vier lebensgefährlich Verletzte und neun Verletzte zur Folge. Josef Simon, Karl Horvath, Erwin Horvath und Peter Sarközi kamen in Oberwart ums Leben. Die Ausstellung gedenkt ihnen.
Durch neun Interviews mit Zeitzeug*innen gelingt es, sowohl die politische Dimension dieser Zeit, als auch die Perspektiven der Betroffenen ins Zentrum zu stellen. Zudem wird thematisiert welche selbstorganisierten Kämpfe Minderheiten schon damals führten und welche Errungenschaften es zu verteidigen gilt.
Von einem „weggewischten Trauma“ sprach man bei der Ausstellungseröffnung über die Zeit vor 30 Jahren und machte deutlich, dass auch heute noch gilt: Das Klima bedingt die Tat! Die Eröffnung am 23. April endete mit einem Appell von Terezija Stoisits sich weiter gegen dieses rassistische Klima zu stellen. Die Ausstellung leistet einen wichtigen Beitrag dazu.
Mehr zur Ausstellung erfahrt ihr im „von Unten“-Interview mit den Kuratorinnen Vida Bakondy, Cornelia Kogoj und Gamze Ongan von der Initiative Minderheiten.
6.5. 18 Uhr Kurator:innenführung
19 Uhr Präsentation Zeitschrift STIMME zu Rechtsextremismus
12.5. 15 Uhr Dialogführung mit Cornelia Kogoj (Mitkuratorin, Initiative Minderheiten) im Gespräch mit Joža Messner, Arzt und Mitinitiator der Elterninitiative für eine Öffentliche zweisprachige Volksschule in Klagenfurt/Celovec. Die Schule war im Jahr 1994 Ziel eines Rohrbombenanschlag
19.5. | 2.6. jeweils 15 Uhr Sonntagsführung durch die Ausstellung
27.6. 18 Uhr Dialogführung mit einer Zeitzeug:in
19 Uhr Podiumsdiskussion: Rechtsruck in Österreich?
3.7. 18 Uhr Kurator:innenführung
“Im Zweifel für den Angeklagten”. Jeder kennt diesen Spruch. Genauso das Bonmot: “Wo kein Kläger, da kein Richter.” Am 1. Februar 2024 endete im steirischen Leoben nach drei Verhandlungstagen ein Prozess bei dem es hätte heißen müssen: „Wo zu wenig Beweismittel, da keine Verurteilung.“ Denn wenn eines klar war, dann, dass hier während der Ermittlungen einige Fehler passiert sind. Aber der Reihe nach: was ist eigentlich passiert?
Am 11. September 2010 detonierte nachts ein Sprengsatz vor dem Eingang einer Unterkunft für Geflüchtete der Caritas. Verletzt wurde durch die unmittelbare Explosion – zumindest körperlich –niemand. In weiterer Folge verletzte sich jedoch ein Bewohner durch einen Sturz am Kopf, als er nachschauen wollte was passiert war. Dies war aber reines Glück, denn der Anschlag erzeugte eine Druckwelle, die von Zeuginnen noch 70 Meter weiter entfernt zu spüren war. Sie beschrieben die meterhohen Staubaufwirbelungen noch Jahre später eindrücklich. Teile des Sprengsatzes drangen ins Mauerwerk ein und blieben dort stecken. Im Oktober 2021, ließ das Bundesinnenministerium in einer Pressemeldung verlauten “Sprengstoffanschlag auf Asylunterkunft in Graz geklärt”.
Doch nun stellte sich heraus, dass das nicht nur nicht stimmt, sondern, dass es im Zuge der Aufklärungsversuche zu zahlreichen Ermittlungspannen kam. Angeklagt waren 3 Männer im Alter von 28 bis 32 Jahren. Jene sollen Verbindungen zur damaligen rechtsextremen Szene in Mariazell gehabt haben, oder dieser selbst angehört haben. Angeklagt waren sie nicht nur wegen des Sprengstoffanschlags, sondern auch wegen einschlägiger Tätowierungen, Facebook-Postings, einer Hakenkreuzfahne im Kinderzimmer, sowie einer neonazistischen Parole – alles nach dem Verbotsgesetz wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Die Verhandlung selbst war schon ein fast filmreifes Event: so zog der Hauptangeklagte am ersten Verhandlungstag sein Geständnis zurück. Dies tat er mit der Begründung, er sei vom Verfassungsschutz so unter Druck gesetzt worden, dass er sich alles im Wesentlichen ausgedacht hätte. Wäre das nicht schon skandalös genug, so stellte sich auch noch heraus, dass es zu zahlreichen Ermittlungspannen im Zuge der Aufarbeitung des Falls gekommen war.
So wurden etwa Haut und Haarspuren, welche am Tatort gefunden wurden, zwar als Beweismittel aufgenommen und mit den Resten der Bombe zur technischen Überprüfung übergeben, jedoch nicht auf DNA-Spuren untersucht. Zudem wurde ausgerechnet beim Hauptbelastungszeugen und Bruder des Zweitangeklagten kein DNA-Abgleich durchgeführt, obwohl letzterer die ganzen Ermittlungen ja erst wieder ins Rollen gebracht hatte, indem er den Erstangeklagten damals gegenüber einem LVT-Beamten identifiziert hatte. Bei der Auswertung des Materials einer Überwachungskamera, welche den möglichen Täter aufgezeichnet hatte, wurde damals keine Größenabschätzung vorgenommen. Da das im Video zu sehende Gebäude abgerissen wurde und die Originalaufnahmen nun auch fehlen, ist dies nicht mehr möglich. Weiters wurden Zeug*innenaussagen damals nicht protokolliert, oder der Name der aussagenden Person nicht aufgenommen. Originalbeweismaterial, unter anderem ein Mitschnitt des Geständnisses vom Erstangeklagten, war ebenfalls nicht mehr auffindbar. Die Folge dieser auch von der Verteidigung der Angeklagten bemerkten “Schlampereien” war ein dreifacher Freispruch in der Causa des Anschlags. Es kam zu zwei nicht rechtskräftigen Verurteilungen zu 15 bzw. 24 Monaten bedingter Haftstrafe wegen Tätowierungen, jeweils für den Erst- und Drittangeklagten.
Auch diesmal hat sich gezeigt, wie wichtig kritische und kontinuierliche Prozessbeobachtung ist. An dieser Stelle danken wir „Von Unten“ und „Doku Service Steiermark“ für die gemeinsame Beobachtung. Vieles war an diesem Prozess ungewöhnlich und machte uns teilweise sprachlos. Leider nicht ungewöhnlich war der verharmlosende Umgang mit der vorgeworfenen rassistischen Tat: dass es hier um das Leben von Menschen ging, geriet viel zu oft in den Hintergrund. Auch sprach man immer wieder von der „rechten Szene“ oder „rechten Jugendlichen“, die sich damals trafen, was angesichts der rechtsextremen bis neonazistischen Umtriebe in Mariazell entpolitisierend wirkte.
Die Perspektive der Betroffenen füllte in dem Fall nur ein Mitarbeiter der Caritas aus, für dessen Befragung nicht viel Zeit vorgesehen war. Er schilderte, wie verängstigt und eingeschüchtert man nach dem Anschlag gewesen sei und dass man zum Schutz einen Security beauftragte. Hinzu kamen immer wieder rassistische Begriffe, die an das Klima im Jahr 2010 erinnerten und längst überholt wirkten.Verhandelt wurde es als eine vereinzelte Tat von drei jungen Männern, doch, wie diese Recherche von „Stoppt die Rechten“ zeigt, war auch dieser Anschlag kein Einzelfall.
Der Widerspruch zwischen dem 2021 offiziell verlautbarten „Sprengstoffanschlag auf Asylunterkunft in Graz geklärt“ und dem Bild, das die Hauptverhandlung in Leoben zeichnete ist eklatant. Auf Nachfrage dazu äußerte sich das BMI nur insofern, dass die Justizbehörden zuständig seien und dass „Etwaige subjektive Empfindungen oder Mutmaßungen […] nicht kommentiert [werden].“ (Quelle: Antwort auf Anfrage per E-Mail) Von Seiten des Landesgerichtes Leoben blieben unsere Anfragen unbeantwortet. Hier braucht es dringend mehr öffentlichen Druck um Aufklärung voranzutreiben und rechte Netzwerke offenzulegen. Denn rassistische Gewalt muss ernst genommen werden und auch als diese benannt werden.
Medienberichte:
Der Administrator der antisemitischen Webseite Benjamin H. stand laut „Stoppt die Rechten“ auf einer internen Liste der neofaschistischen „Identitären“ aus 2017. Überraschend ist nur, dass dies erst jetzt bekannt wird. Deshalb fordern wir weiter: Betroffene schützen und extrem rechte Netzwerke aufklären!
Der Administrator der antisemitischen Webseite Benjamin H. stand laut „Stoppt die Rechten“ auf einer internen Liste der neofaschistischen „Identitären“ aus 2017. Überraschend ist nur, dass dies erst jetzt bekannt wird.
Am 29. März 2022 startete in Wien der mit Spannung erwartete Prozess gegen Philip H., den Neonazirapper „Mr. Bond“. Dass sein Bruder als Betreiber von „Judas Watch“ ausgeforscht wurde und sich unter anderem dafür vor Gericht verantworten musste, wurde erst durch die Anklageverlesung öffentlich. Die über 1.700 dort als Feinde markierten Einzelpersonen und Organisationen erfuhren erst durch die Medienberichterstattung davon. Nur durch schnelles Handeln und unser gemeinsames Engagement konnten sich am zweiten Prozesstag zehn weitere Personen dem Verfahren als Privatbeteiligte anschließen und somit zumindest den Versuch starten die politische Dimension und die Bedrohungslage zu verdeutlichen.
Durch das Nicht-Informiert Werden wurde eine effektive Beteiligung am nur zweitägigen Strafprozess verunmöglicht. So war es in der Kürze der Zeit nicht möglich Akteneinsicht zu nehmen und sich somit über die stattgefundene Ermittlungsarbeit zu informieren. Viele Betroffene kritisierten den Umgang mit ihnen in diesem Fall.
Die Berufungsverhandlung am Wiener Oberlandesgericht nutzen einige der Betroffenen um ihre Kritik öffentlich zu machen und forderten in einer Presseaussendung „Opfer rechter Gewalt endlich ernst [zu] nehmen!“. Erneut hoben sie hervor, dass sie zu wenig unterstützt wurden und das es einen anderen Umgang mit der Gefahr durch die extreme Rechte braucht.
Bis heute sind viele Fragen offen geblieben, das Netzwerk hinter den beiden verurteilten Brüdern wurde nicht ausgeleuchtet, wie die aktuelle Enthüllung von „Stoppt die Rechten“ verdeutlicht.
Deshalb fordern wir weiter: Betroffene schützen und extrem rechte Netzwerke aufklären!
Seit 9 Jahren beobachten wir Gerichtsprozesse, gestartet haben wir unser kleines Projekt in Solidarität mit den Angeklagten vom Fluchthilfeprozess. Wir kritisieren weiterhin die Kriminalisierung von Migration, die tagtäglich stattfindet und sich auch vor Gericht widerspiegelt. Wir sind solidarisch mit Aktivist*innen, die nach Protesten angeklagt werden und begleiten sie auch bei Beschwerden nach Polizeigewalt.
Wir beobachten Prozesse kontinuierlich, von Anfang bis zum Schluss, sind oft die einzige Öffentlichkeit im Gerichtssaal, ordnen unsere Erfahrungen politisch ein und recherchieren weiter. Es ist notwendig die Arbeit staatlicher Akteur*innen kritisch zu hinterfragen und sichtbar zu machen was falsch läuft. Denn vor Gericht werden Menschen nicht gleich behandelt, auch der Zugang zu Informationen ist sehr unterschiedlich geregelt. Wir wollen mehr kritische Öffentlichkeit in Gerichtssäle bringen und möglichst niederschwellig erklären, was dort passiert.
In den letzten Monaten ist es uns gemeinsam mit „Stoppt die Rechten“ gelungen ein österreichweites Netzwerk an Prozessbeobachter*innen aufzubauen, mit dem wir vor allem Verbotsgesetz- und Verhetzungsprozesse beobachten. Der Umgang mit Rechtsextremismus und Neonazismus ist nach wie vor geprägt von Verharmlosung, Entpolitisierung und dem Festhalten am vermeintlichen „Einzeltäter“-Mythos. Durch unsere gemeinsame, kontinuierliche und kritische Beobachtung solcher Prozesse leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die extreme Rechte in Österreich.
Wenn auch Du Gerichtsprozesse beobachten oder uns anders unterstützen willst, melde dich bei uns oder komm am 14. Juli 2023 zu unserem offenen Treffen nach Wien.