Haftstrafen für Neonazirapper ‚Mr. Bond‘ und seinen Bruder, den Betreiber der antisemitischen Plattform ‚Judas Watch‘ sind rechtkräftig – ausführlicher Prozessbericht hier

Um die Perspektiven und Forderungen von Opfern rechter Gewalt sichtbarer zu machen, haben wir Personen die auf ‚Judas Watch‘ gelistet waren um ein Statement gebeten. Wenn auch du dazu gehörst und der Öffentlichkeit etwas zu sagen hast, melde dich gerne bei uns!

-> Presseaussendung der JÖH & ÖH Uni Wien

ZU ALLEN STATEMENTS

Wie du uns unterstützen kannst:

Wir sind ein sehr kleines Team, arbeiten ehrenamtlich und freuen uns immer über Kooperationen mit anderen Kollektiven und Einzelpersonen. An dieser Stelle ein großes DANKESCHÖN an alle, die uns die letzten 8 Jahre unterstützt haben! ❤️

Weil unserer Arbeit nicht im Gericht aufhört, brauchen wir immer wieder Unterstützung für:

Am 23.05.2022 wurde Peter Binder erneut wegen Wiederbetätigung verurteilt. Was im Prozess passiert ist und welche Fragen nach wie vor offen sind, haben wir zusammengefasst. Vorgeworfen wurde ihm das Versenden von drei WhatsApp-Nachrichten mit nationalsozialistischen Inhalten, sowie die Zurschaustellung verschiedener NS-Devotionalien.

Bereits im März 2022 kam es in Wien zu einer, nicht rechtskräftigen, Verurteilung wegen Waffen- und Suchtgifthandel, im Zuge dieser Ermittlungen kam es zu einer Hausdurchsuchung welche Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz nach sich zogen.

Fast 3 Jahre nachdem Anselm Schindler von der Räumung einer Sitzblockade berichtete, rechtswidrig festgenommen wurde und ihn beinahe ein Polizeibus überfuhr, wurde der Lenker des Fahrzeuges rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Unser Bericht von der Berufungsverhandlung.

Ein junger Mann beobachtete am 1.2.2022 die Festnahme mehrerer Personen in einem von der Polizei abgesperrten Bereich. Aus Protest rüttelte er am Bauzaun, kurz darauf wurde er festgenommen. Am 06.04.2022 stand er vor Gericht und wurde freigesprochen. Lest unseren Bericht vom Prozess.

Am 31.03.2022 endete der zweitägige Prozess im Wiener Schwurgerichtssaal mit nicht rechtskräftigen Haftstrafen für beide Angeklagte. Am ersten Prozesstag wurde überraschend bekannt, dass es in diesem Verfahren auch um das Betreiben der antisemitischen Hetzseite „JudasWatch“ ging und eine Vielzahl der Betroffenen nicht darüber informiert wurde.

Du standest auch auf der Feindesliste von „JudasWatch“ oder kennst weitere Betroffene? Dann kontaktiere uns! Wir hören dir zu, berichten über deinen Fall, wenn du möchtest und unterstützen dich bei rechtlichen Schritten. Mehr dazu in unserem Bericht.

Am 31.03.2022, dem zweiten Verhandlungstag, kam es zur Urteilsverkündung: Philipp H. wurde unter anderem vorgeworfen als Neonazi-Rapper durch seine Liedtexte eine Vielzahl an Straftaten im Sinne des §3g des Verbotsgesetzes begangen zu haben. Er wurde wegen „besondere Gefährlichkeit“ zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren ohne Bewährung verurteilt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Benjamin H., dem die Anklage neben der Unterstützung seines Bruders auch die Administration einer antisemitischen Webseite anlastet, wurde ebenfalls nach §3g Verbotsgesetz zu vier Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Die Privatbeteiligten wurden mangels Klärung ihrer Ansprüche im Verfahren auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da sich alle Prozessbeteiligten Bedenkzeit erbaten. Es gilt die Unschuldsvermutung, da sich der Zweitangeklagte nur teilweise schuldig bekannt hat, zum Vorwurf der Administration der Hetzseite war er jedoch geständig.

Fehlende Informationen für die Betroffenen

Der Öffentlichkeit wurde am ersten Verhandlungstag überraschend bekannt, dass der Zweitangeklagte der seit Jahren gesuchte Administrator der antisemitischen Hetzseite „judas.watch“ war, die unter anderem Feindeslisten ins Netz stellte. Daraufhin schlossen sich zehn weitere Personen aus Österreich und Deutschland, deren Namen auf den Listen angeführt waren, der Klage kurzfristig als Privatbeteiligte an. Sie wurden hierbei durch den Anwalt Clemens Lahner vertreten. Der Anwalt Georg Zanger – ebenfalls gelistet –  tat dies bereits am ersten Prozesstag. Zwei Betroffene konnten am zweiten Prozesstag persönlich anwesend sein.

Privatbeteiligte sind durch ein Offizialdelikt (hier: Verstoß gegen das Verbotsgesetz) betroffene Personen, die sich dem Strafverfahren aufgrund privatrechtlicher Ansprüche (z.B. Schadenersatz) anschließen. Konkret betonten die Privatbeteiligtenvertreter, dass die Betroffenen durch die Nennung ihrer Namen auf den Listen verächtlich gemacht, verleumdet und bedroht wurden. Lahner gelang es zudem durch Fragen und sein Schlussplädoyer die politische Dimension des Verfahrens zu beleuchten.

So hob er hervor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) die Betroffenen in Österreich zwar teils schon vor Jahren kontaktiert und über ihre Nennung auf den Feindeslisten informiert, sie aber nicht über die Ausforschung des Zweitangeklagten und das tatsächliche Gefährdungspotential informiert habe. Soweit wir wissen wurden Personen die auf der Feindesliste für Deutschland standen, zu keiner Zeit darüber informiert.

Privatbeteiligtenvertreter von Georg Zanger, Johannes Kerbl, argumentierte ebenfalls mit Nachdruck: „Im Grunde ist das Führen solcher Listen ein Aufruf zum Mord.“

Spätestens seit Erhebung der Anklage gegen Administrator Benjamin H. im Jänner 2022 wäre es angebracht gewesen, die Betroffenen in Kenntnis zu setzen. Bereits im Juni 2021 hatte sich der Verdacht gegen ihn soweit erhärtet, dass man eine Hausdurchsuchung durchführte. Warum wurden die Betroffenen nicht also schon zu diesem Zeitpunkt über die Fortschritte im Verfahren informiert?
Die Rolle des Zweitangeklagten als Administrator der Hetzseite kam bei den Ermittlungen gegen den Erstangeklagte – seinen Bruder – ans Licht. Bei einer Hausdurchsuchung bei letzterem wurde belastendes Datenmaterial sichergestellt, darunter die einschlägige Korrespondenz der Brüder, in der sie sich zur Website austauschten. So riet der Erstangeklagte seinem Bruder beispielsweise „’judas.watch‘ auf Firmen aus[zu]weiten.“

Wurde die Gefahr unterschätzt?

In vielen der vorgetragenen Anklagepunkte ging es um die Inhalte der Songtexte, welche an Abscheulichkeit kaum zu überbieten sind: Verherrlichung der Verbrechen des Nationalsozialismus (explizit der Shoah), extremer antisemitischer, misogyner und homofeindlicher Hass, Aufruf zum „Rassenkrieg“, Vernichtung von Jüd*innen sowie politischer Gegner*innen, Wiederherstellung des Dritten Reiches, Terror und allgemeiner Gewaltanwendung.

Gerade vor diesem Hintergrund muss auch die Seite Hetzseite des Bruders betrachtet werden: Es ist naheliegend, dass es Benjamin H. zumindest darum ging, die Personen auf den Feindeslisten einzuschüchtern und ihnen zu drohen. Angesichts der Vielzahl an Waffenfunden in Österreich, die der extremen Rechten zugeordnet werden können und der Tatsache, dass die Szene sich in ihren Vernichtungsfantasien auf internationalen Foren gegenseitig offen bestärkt und vernetzt, hat der Prozess erneut gezeigt, dass die Gefahr, dieser Szene ausgeht, weiterhin unterschätzt wird.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Menschen auf den Feindeslisten zumindest teilweise in akuter Gefahr befanden. Denn die einschlägigen Songs von Philip H. wurden schon vom rechtsterroristischen Attentäter in Halle als Soundtrack für seine Morde verwendet und die Brüder hatten in ihrem Haus nachweislich Zugang zu Waffen. Nur zehn Tage vor gseiner Festnahme soll Philipp H. im Internet nach einer Anleitung zum Selbstbau von Schusswaffen mittels 3D-Drucker gesucht haben. Außerdem übersetzte er das Manifest des rechtsterroristischen Attentäters von Christchurch und verbreitete dieses wiederum in einem einschlägigen Online-Forum. Genau diese Netzwerke wurden aber bisher nicht aufgedeckt, es bleiben viele Fragen offen.

Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass die zuständigen Behörden zur Bekämpfung der extremen Rechten nicht ausreichen. Es braucht eine starke Zivilgesellschaft, engagierte Aufklärungsabeit, sowie effektiven Schutz und Unterstützung für Betroffene rechter, antisemitischer und rassistischer Gewalt.

Du standest auch auf der Feindesliste von „judas.watch“ oder kennst weitere Betroffene? Dann kontaktiere uns. Wir hören dir zu, berichten über deinen Fall, wenn du möchtest und unterstützen dich bei rechtlichen Schritten.

Medienberichte zum zweiten Prozesstag:

Jahrelang wurden hunderte Einzelpersonen und Organisationen auf einer antisemitischen Webseite als Feinde gelistet. Am 29.3.2022 wurde im Prozess gegen den Neonazi-Rapper „Mr. Bond“ nun bekannt, dass sein Bruder der Betreiber dieser Webseite war und u.a. dafür angeklagt ist. Die vielen Betroffenen wurden nicht darüber informiert. Das darf nicht ignoriert werden! Viel zu oft werden (potentielle) Opfer nicht von den zuständigen Behörden unterstützt, geschützt oder auch nur ernst genommen!

Lest unseren Beitrag und unterstützt die Betroffenen.

Heute, am 31.03.2022, wird der Prozess gegen zwei Kärntner Brüder im Wiener Schwurgerichtssaal fortgesetzt. Der Hauptangeklagte ist international bekannt als Neonazi-Rapper „Mr. Bond“, sein Bruder war Betreiber der antisemitischen Webseite „Judas Watch“, so die Staatsanwaltschaft.

Beide Angeklagten bekannten sich (teilweise) schuldig, verlasen am ersten Prozesstag kurze Statements, beantworten darüber hinaus aber keine Fragen, insbesondere nicht die des Privatbeteiligten Georg Zanger. Dieser wurde wie rund 1800 weitere Personen und Organisationen auf der antisemitischen Online-Feindesliste des Zweitangeklagten aufgeführt.

Kein Einzelfall ist das Vorgehen der Ermittlungsbehörden und der zuständigen Staatsanwaltschaft. Obwohl dem Erstangeklagten Philip H. eine „besondere Gefährlichkeit“ attestiert wird und es länderübergreifende Unterstützungsstrukturen für ihn gibt, fehlen Ermittlungen rund um sein extrem rechtes Netzwerk, auch die Finanzströme wurde nicht ausreichend aufgeklärt.
In seinen Liedern glorifizierte er unter anderem den Holocaust und rief zum Massenmord an bestimmten Menschengruppen auf. Der rechtsterroristische Attentäter von Halle spielte während seiner Tat einen Song des Erstangeklagten, der wiederum den Attentäter von Christchurch bewunderte, sowie sein Manifest ins Deutsche übersetzte und online stellte.

Durch die Ermittlungen gegen seinen Bruder wurde man auf den Zweitangeklagten Benjamin H. aufmerksam. Während vor Prozessbeginn in den Medien noch von „Nebenaspekten“ die Rede war, wurde aufmerksamen Prozessbeobachter*innen schnell klar, welche zusätzliche Brisanz diese Verhandlung aufweist. Bereits im Dezember 2019 gab es Vermutungen, dass hinter „Judas Watch“ ein österreichischer Informatiker stecken soll. Dass dieser nun identifiziert werden konnte, war jedoch überraschend.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage warum die Vielzahl an dort gelisteten Personen nicht darüber informiert wurde, dass man den Verantwortlichen ermittelt und nun angeklagt hat? Dieses Versäumnis darf nicht ignoriert werden. Gleichzeitig ist auch dies kein Einzelfall, viel zu oft werden Betroffene nicht von den zuständigen Behörden unterstützt, geschützt oder ernst genommen.

Berichte zum ersten Prozesstag:

Am heutigen, zweiten und vermutlich schon letzten Prozesstag wird das Urteil gegen beide Angeklagte erwartet. Doch wie so oft heißt es, die Aufklärung wird auch nach einem möglichen Urteil nicht vorbei sein, sie fängt gerade erst an.